Predigt Kantate - Pfarrer Björn Thiel (02.05.2021)

Lukas 19,37-40

Predigttext: Lukas 19,37-40 Und als er schon nahe am Abhang des Ölbergs war, fing die ganze Menge der Jünger an, mit Freuden Gott zu loben mit lauter Stimme über alle Taten, die sie gesehen hatten, 38und sprachen: Gelobt sei, der da kommt, der König, in dem Namen des Herrn! Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe! 39Und einige von den Pharisäern in der Menge sprachen zu ihm: Meister, weise doch deine Jünger zurecht! 40Er antwortete und sprach: Ich sage euch: Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien.

Predigt:

Eine Predigt zum Thema des Sonntages Kantate, also eine Predigt zum Thema "Singen" ohne einen Gottesdienst mit Musik und Gesang zu feiern, ist natürlich gewöhnungsbedürftig, um nicht zu sagen: echt bescheiden. Wir spüren wieder mehr als deutlich genug und schmerzhaft, wie sehr uns Corona in unserem auch spirituellen Leben einschränkt. Natürlich behelfen wir uns so gut es geht, aber so richtig dasselbe ist es natürlich nicht. Und dann werden wir auch noch mit diesem Predigttext konfrontiert! Jesus zieht in Jerusalem ein und seine Anhänger feiern dieses Ereignis wie die Ankunft eines Königs. Mit Tanz und Gesang ehren sie ihn und lassen ihrer Freude freien Lauf. Manchen gefällt das nicht und sie wollen es ihnen verbieten. Und dann folgt dieser letzte Vers: "Ich sage euch: Wenn sie schweigen, werden die Steine schreien!" Also: Wenn wir an diesem Sonntag schweigen müssen, um unsere und die Gesundheit anderer nicht zu gefährden, wer singt dann für uns und an unserer Stelle? Nun kommt es den Pharisäern, die Einspruch gegen diese Ausgelassenheit erheben, nicht wirklich auf den Gesang an als vielmehr um den Text: "Gesegnet sei er, der König, der im Namen des Herrn kommt!" und "Frieden bei dem, der im Himmel ist, Ehre dem, der droben in der Höhe wohnt!" Damit deklarieren die Sänger Jesus als einen von Gott gesandten Boten, ja mehr noch: Sie rücken ihn in seine Nähe und betiteln ihn mit "König". Die Theologen fürchten wohl - nicht ganz zu unrecht -, dass hier der Messias begrüßt wird. Man sollte ihnen nicht unterstellen, dass sie nicht in guter Absicht handeln und nur reine Spielverderber sein wollen. Das Gegenteil ist wohl der Fall. Sie halten all das für Blasphemie. Und machen sich Sorgen, dass diese Verfehlung auf das ganze Volk zurückfallen könnte. Ihr Verhalten ist also geprägt von einem Gottesbild, das ihnen Angst einflößt. Bloß nichts verkehrt machen! Wer schweigt, sagt schließlich nichts Falsches. Jesus scheint da anderer Meinung gewesen zu sein. Und das hat er auch immer wieder betont in seinen Gleichnissen und Predigten, aber auch in dem, wie er den Menschen begegnete. Wenn religiöse Vorschriften ihn daran hinderten, sich um andere zu kümmern, dann nahm er sich die Freiheit, sie zu ignorieren. Die Liebe war für ihn das Kriterium, an dem sich Traditionen, Riten und Gesetze messen lassen mussten. Und nicht selten ergab sich dabei, dass die gerade das verhinderten, was sie eigentlich garantieren sollten: ein gutes Verhältnis zum himmlischen Vater. Wer den Nächsten nicht sieht, hat auch Gott aus den Augen verloren. Das ist eine einfache Regel, die sich jeder merken kann und deren Umkehrung im Grunde genommen einfach zu befolgen ist: Wer den Nächsten im Blick hat, ist von Gott nicht weit entfernt. Das bedeutet nun nicht, dass jedes Regelwerk vom Teufel wäre. Nicht selten helfen uns Vorschriften ja auch, Situationen zu meistern, gerade in Zeiten der Unsicherheit und der Krise. Den Nächsten im Blick haben kann eben auch bedeuten, sich zum Beispiel an die AHAL-Regeln und andere Maßnahmen zu halten. Auch wenn es bedeutet, wie zum Beispiel heute, auf Dinge zu verzichten, die uns wichtig sind. Darum: Auch wenn wir hier und heute keinen Gottesdienst feiern und somit "schweigen", werden sich andere Stimmen erheben, um Gott zu loben und zu preisen und willkommen zu heißen. Wir brauchen nur die Bibel aufzuschlagen: Da ist das Heer der himmlischen Heerscharen, da ist Mara mit ihrem Lobgesang, das Volk von Jerusalem, als sie Jesus begrüßen, die Jünger, nachdem sie Abendmahl gefeiert haben, da sind Paulus und Silas, die selbst im Gefängnis singen, da ist Miriam, die auf die Pauke schlägt, da ist David mit seiner Harfe und nicht zu vergessen: all die Psalmenbeter, die uns ihre Lieder überlassen haben …

Kantate … diese Aufforderung nehmen wir in diesem Jahr einfach mit nach Hause - und singen: im Stillen, besinnlich summend oder herrlich laut, in der Badewanne, unter der Dusche, im Garten, bei der Hausarbeit, in der Mittagspause … Im Evangelischen Gesangbuch lautet der Vers eines Liedes (EG 266): "Denn unermüdlich, wie der Schimmer des Morgens um die Erde geht, ist immer ein Gebet und immer ein Loblied wach, das vor dir steht." Sorgen auch wir dafür, dass dieser Text zutrifft. Und freuen wir uns auf die Zeit, in der wir wieder gemeinsam unsere Stimmen erklingen lassen dürfen! Amen

Amen