Predigt 2. Sonntag nach Weihnachten 2020 - Diakon Detlef Adams (03.01.2021)

Lukas 2, 25-38

25 Und siehe, ein Mensch war in Jerusalem mit Namen Simeon; und dieser Mensch war gerecht und gottesfürchtig und wartete auf den Trost Israels, und der Heilige Geist war auf ihm. 26 Und ihm war vom Heiligen Geist geweissagt worden, er sollte den Tod nicht sehen, er habe denn zuvor den Christus des Herrn gesehen. 27 Und er kam vom Geist geführt in den Tempel. Und als die Eltern das Kind Jesus in den Tempel brachten, um mit ihm zu tun, wie es Brauch ist nach dem Gesetz, 28da nahm er ihn auf seine Arme und lobte Gott und sprach:

29 "Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; 30 denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, 31 das Heil, das du bereitet hast vor allen Völkern, 32 ein Licht zur Erleuchtung der Heiden und zum Preis deines Volkes Israel"

. 33 Und sein Vater und seine Mutter wunderten sich über das, was von ihm gesagt wurde. 34 Und Simeon segnete sie und sprach zu Maria, seiner Mutter: Siehe, dieser ist dazu bestimmt, dass viele in Israel fallen und viele aufstehen, und ist bestimmt zu einem Zeichen, dem widersprochen wird. 35und auch durch deine Seele wird ein Schwert dringen –, damit aus vielen Herzen die Gedanken offenbar werden. 36 Und es war eine Prophetin, Hanna, eine Tochter Phanuëls, aus dem Stamm Asser. Sie war hochbetagt. Nach ihrer Jungfrauschaft hatte sie sieben Jahre mit ihrem Mann gelebt  37 und war nun eine Witwe von vierundachtzig Jahren; die wich nicht vom Tempel und diente Gott mit Fasten und Beten Tag und Nacht.  38 Die trat auch hinzu zu derselben Stunde und pries Gott und redete von ihm zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten.


Liebe Gemeinde,

Die Eltern Jesu bringen ihr Kind in den Tempel und sie treffen auf zwei alte Menschen. Die Eltern sind der Tradition verpflichtet. Sie haben ihr Kind beschneiden lassen am 8. Tag und nun nach 40 Tagen wollen sie im Tempel den erstgeborenen Sohn Gott darbringen.

Hier kommt es zur Begegnung mit Simeon und Hanna. Als fromm und gottesfürchtig, “, „der Heilige Geist war mit ihm“ so wird Simeon beschrieben. Er wartet darauf, dass etwas in seinem Leben geschieht. Er hält danach Ausschau, dass er dem Trost Israels begegnete, wie es heißt. Einer, der sich sehnt nach Tröstung für sein Volk, wie es Jesaja damals verheißen hatte: „Tröstet, tröstet mein Volk!“

(Jes. 40,1); der hofft auf Befreiung, auf Erlösung. Einer, der wartet, lange schon, einer der dabei gewiss schon manche Enttäuschung erlebt hat - und der doch an der Hoffnung festgehalten hat.

Neben Simeon ist da die hochbetagte Hanna. Lukas nennt sie sogar ausdrücklich „eine Prophetin“ und gibt ihre jüdische Abstammung genau an. Sie ist stets beim Tempel oder in seiner Nähe, dient Gott Tag und Nacht mit Fasten und Beten: dies ist ihre besondere Weise, auf die Erlösung ihres Volkes zu warten und sich dafür einzusetzen. Eine Frau, die Einsamkeit kennen gelernt hat und gewiss auch bittere Armut, in jungen Jahren war sie schon zur Witwe geworden und ist inzwischen 84 Jahre alt. 


Von diesen beiden haben wir nicht nur soeben gehört. Sie haben Sie auf dem obigen Bild des Malers Rembrandt auch vor Augen. Der Maler konzentriert sich ganz auf die beiden Alten und auf das Kind. Alles Übrige ist ausgeblendet: der Tempel, das Gewimmel der vielen Leute, ihr ständiges Kommen und Gehen. Auch die Eltern, Maria und Josef, hat Rembrandt nicht mit ins Bild genommen. Nur Simeon – und Hanna – und das Kind. Schauen wir es uns an:

Die Gesichter der beiden alten Leute sind dem Kind zugewandt. Das Kind hingegen schaut hellwach und aufmerksam nach oben, blickt an ihnen vorbei, aus dem Bild heraus. Zur Quelle des Lichts, so scheint es. Und dieses Licht spielt, wie so oft bei Rembrandt, eine ganz besondere Rolle. Von links oben fällt es vor allem auf das Kind und lenkt die Blicke zuallererst dorthin.

Ebenso hell scheint es aber auch auf den Kopf von Simeon, auf seine breite Stirn, auf seinen Bart. Das lässt seine Gesichtszüge deutlich hervortreten. Im Vorbeistreifen berührt das Licht auch das Gesicht der Frau, lässt aber ihre Augen im Schatten. Ihr reicht es offenbar aus, das Kind im Licht zu sehen, sie muss nicht selbst ins Licht. Der Widerschein auf ihrem Nasenrücken und auf ihrem Halsausschnitt schafft aber eine optische Verbindung zu dem Kind, genauso wie Simeons hell schimmernder Bart.

Und noch etwas Viertes wird vom Licht aus dem Dunkel geholt: das sind Simeons Hände, rechts unten am Bildrand; halb im Schatten, sind sie doch deutlich genug zusehen. Doch nun schauen wir zuerst mit dem Licht auf das Kind: Wir sehen ein kräftiges, pausbäckiges Baby; mit dem Oberkörper ist es fast schon in einer eigenen Bewegung begriffen, man könnte meinen, dass es sein Gesicht zur Lichtquelle hin aus eigener Kraft anhebt. Im Gegenüber zu den Gesichtern der beiden Alten verkörpert es das Neue, die Zukunft, das Leben. Ein quicklebendiges Menschenkind – und doch zugleich viel mehr – jedenfalls in den Augen der beiden Betrachter.

Aus Simeons Mund haben wir’s schon gehört: „Meine Augen haben deinen Heiland gesehen, Herr, den du bereitet hast vor allen Völkern; ein Licht, zu erleuchten die Heiden“ So ist hier das Kind ganz ins Licht gerückt. Dieses Licht, das so hell auf das Kind fällt, bescheint aber auch das Gesicht des Alten. Und hinter der hell beschienenen Stirn kann man die Erinnerungen ahnen: Erinnerungen an ein langes eigenes Leben, Erinnerungen an die Geschichte des Volkes, Sehnsüchte, die immer noch lebendig sind, Hoffnungen – sollte es sein, dass sie jetzt in Erfüllung gehen? Man sieht aber auch schon andere Bilder vor dem inneren Auge Simeons aufsteigen, Bilder des Kommenden. Man hört ihn zur Mutter des Kindes sagen: „Siehe, dieser ist dazu bestimmt, dass viele in Israel fallen und viele aufstehen, und ist bestimmt zu einem Zeichen, dem widersprochen wird., damit aus vielen Herzen die Gedanken offenbar werden.

Das Kind aus der Krippe, jetzt noch „in Windeln gewickelt“, wird heranwachsen zu einem Zeichen, das zwar viel Zustimmung finden, das aber auch auf mächtigen Widerspruch, auf Unverständnis und Ablehnung stoßen wird. An ihm werden sich die Geister scheiden.

Blicken wir nun schließlich auf Hanna. Ihr Gesicht ist zum Teil vom dunklen Witwenschleier beschattet, man ahnt die Augen mehr, als dass man sie wirklich sähe. Von ihrem hohen Alter ist nicht viel zu sehen, auch sonst nichts Individuelles. Anders als Simeon scheint sie unverwandt auf das Kind zu schauen. Ihr Blick hat für mich etwas Achtsames, aber auch etwas Zurückhaltendes - und etwas Nachdenkliches, etwas Traurig-Zärtliches. Sie hört sicherlich die ernsten Worte, die Simeon sagt. Aber ihr Blick ruht fest auf dem Kind.

So bildet Hannas Person im Hintergrund das Gegenüber zu uns, die wir das Bild betrachten. Ihr Blick lädt uns ein, dass wir zuerst und zuletzt doch mit ihr auf das Kind schauen. Wir sollen wohl auch Simeon

sehen und die Worte hören, die er spricht. Und da ist Raum auch für alle die eigenen Gedanken, die das bei uns auslöst, über den Weg, den dies Kind vor sich hat, und über unsere eigenen Wege. Wie es Simeon vorhersagt: Durch ihn „werden vieler Herzen Gedanken offenbar werden“.

Zuerst und zuletzt aber dürfen wir so wie Hanna auf das Kind schauen – und dazu dann wohl noch einmal die ersten Worte von Simeon hören: „Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast, denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen.“

So führt es uns der Maler Rembrandt auf diesem Bild vor Augen. Ja, dies ist das letzte Bild, das er überhaupt geschaffen hat! Jedenfalls aber hat er in diesem Bild des alten Simeon und der alten Hanna sich selbst gemeint, in beiden jeweils auf eigene Weise. So dass er in diesem Bild, am Ende seines Lebensweges, zum Ausdruck bringt, was er selbst gefunden hat: „Meine Augen haben den Heiland gesehen.“ Mit diesem Bild hat Rembrandt also von seinem Leben Abschied genommen und sich seinem Herrn anvertraut. Uns aber möge dieses Bild und uns mögen diese Worte des Simeon begleiten, wenn wir damit jetzt langsam vom diesjährigen Christfest Abschied nehmen und uns auf den Weg machen in das neue Jahr hinein, mit allem, was es für uns bereithalten mag.

Liebe Gemeinde,

Hanna und Simeon begegneten Christus im Tempel und erkannten ihn als den Erlöser der Völker. Sein Licht strahle

auf in euren Herzen und leuchte euch auf euren Wegen.  Amen.