Predigt Sonntag Sexagesimae - Pfarrerin Ulrike Wortmann-Rotthoff (07. 02.2021)

Spruch der Woche:

Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet,
dann verschließt euer Herz nicht!

(Hebr. 3,15)

Hörst Du das?!

Nein - das ist nicht nur eine akustische Frage…!

Eine alte Geschichte erzählt von dem Indianer, der mit einer Europäerin in der Großstadt unterwegs ist:

Plötzlich bleibt er stehen, weil er das Zirpen einer Grille hört. "Hörst Du das ?!"  Nein - sie hört auch nach diesem Hinweis nichts. Der Indianer geht zielsicher auf einen Busch zu und zeigt dort tatsächlich auf die versteckte Grille. "Du bist nicht gewohnt, so etwas zu hören", erklärt er. Zum Beweis lässt er eine Münze fallen. Sie klimpert auf der Straße nicht lauter als die Grille und geht im Lärm fast unter. Aber die Menschen um sie herum drehen sich nach ihr um … 

Fazit: 

Wir hören nur, was wir kennen. Was wir wieder - erkennen. Worauf wir irgendwie "trainiert" sind, was ich als "wichtig" eingeordnet habe in der "Auswahlfunktion" meiner Wahrnehmung.

Wenn es nicht das Geräusch der Münze wäre, dann vielleicht heute der Signalton, den ein Smartphone beim Eingang einer Nachricht abgibt.

Spitzen Sie also einmal die Ohren: Was hören Sie im Moment? 

Vielleicht: die Musik aus dem Radio oder im Fernsehen die neuesten Nachrichten?  Vogelgezwitscher, Hundegebell oder Maschinenlärm? 

Hören Sie Aufträge, Schmeicheleien oder Gerüchte, den neuesten Klatsch, Lachen oder Gezänk?

Und worauf möchten Sie hören - wirklich hören?

Ja richtig: unser Gehirn filtert. Gut so - das weiß jeder Hörgerätbenutzer. 

Was filtern Sie heraus aus allem, was täglich in mich hineinströmt?

Was geht unter? Was wird überwuchert? Überhört? Was wird plattgemacht?

Was bleibt - unvergessen im Ohr, so dass wir uns Tage später genau erinnern?

Ich glaube:

Gott spricht noch immer in unsere Welt hinein. Er spricht mich noch immer an - und Sie auch. Und Gott wird nicht müde: Seine Worte streut er ein zwischen unsere Wörter, seinen leisen Klang in unseren Geräuschteppich: Hörst Du das?!


Gott spricht? Wie denn? 

Durch die Stimme des Gewissens? 

Durch andere Menschen? 

Durch besondere Erfahrungen? 

Ich glaube: 

Vor allem durch die Heilige Schrift. Das ist Gottes Wort - für uns aufgeschrieben.  

Also: Gott spricht, wenn ich das höre oder lese. 

Um zu verstehen, was Gott sagt, brauche ich allerdings eine Ahnung von seiner Stimme und seinen Worten (Sie erinnern sich: der Indianer und die Grille...) Wenn Gottesdienst sein kann, höre ich gemeinsam mit anderen auf die Worte der Bibel und kann mich austauschen darüber, wie ich es verstanden habe und wie es die anderen verstehen. Diese Möglichkeit fällt im Moment noch aus - und das fehlt mir.

Wie könnten wir dann an diesem Sonntag im Lockdown unser Gehör schulen? Damit wir - im Vergleich gesprochen - die Grille nicht überhören im Großstadtdschungel, und das Wort Gottes nicht im säkularen Getöse? Ganz praktisch könnte das gehen. 

Ich gebe Ihnen eine Übung weiter, die mir selbst kostbar geworden ist:

Lesen Sie sich selbst bitte einmal das folgende Gleichnis vor! Es ist ein Gleichnis vom Hören, das Jesus erzählt hat. Biblische Sprache ist besonders, deshalb: Lesen Sie es sich laut vor. Sie werden merken, welchen Unterschied das macht. Das hat einen anderen Klang. Einen ganz anderen Widerhall in Ihren eigenen Ohren. Lesen Sie sich das Gleichnis vom Sämann mehrmals laut vor. Notieren Sie sich, an welchen Worten Sie immer wieder hängen bleiben: Was fällt Ihnen dazu ein?

Vom Sämann

4 Als nun eine große Menge beieinander war und sie aus jeder Stadt zu Jesus eilten, sprach er durch ein Gleichnis: 5 Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges an den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen's auf. 6 Und anderes fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte. 7 Und anderes fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten's. 8 Und anderes fiel auf das gute Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht. Da er das sagte, rief er: Wer Ohren hat zu hören, der höre!

Lukasevangelium  8,4-8

Gebet:

Führe mich o Herr und leite meinen Gang nach deinem Wort.

Sei und bleibe Du auch heute mein Beschützer und mein Hort.

Nirgends als bei Dir allein kann ich recht bewahret sein.

AMEN

Einen Gesegneten Sonntag wünscht Ihnen Pfarrerin Ulrike Wortmann-Rotthoff