Predigt Konfirmation - Pfarrerin Ulrike Wortmann-Rotthoff (16.05.2021)

Liebe Gemeinde,

der Zugang zum Konfirmationsgottesdienst ist coronabedingt leider beschränkt. Wir können nur die namentlich angemeldeten Familiengäste einlassen. Dennoch möchte ich Ihnen die Konfirmationspredigt zur Verfügung stellen, die ich in der Stiftskirche halten werde.

Selbst wenn Sie nicht familiär oder durch Bekanntschaft an die vier Jugendlichen gebunden sind: Vielleicht sind Sie dennoch, genau so gebunden worden wie diese Vier: Durch Ihr eigenes Konfirmationsversprechen… Erinnern Sie sich noch?

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden,

Euer Konfirmations - Progamm ist dünner also sonst - Ja klar, wegen Corona können wir ja nicht singen und auch kein Abendmahl feiern -

ABER: Bei der Gestaltung habe ich genau überlegt: Auf der Titelseite Eure Konfirmationskirche. Das ist der Klassiker. Damit bitte ich Euch aus- drücklich darum, dass Ihr die Stiftskirche ab heute nicht nur von außen betrachtet, sondern bei Gelegenheit mal wieder reinschaut. Bei Gelegenheit – ich bin da realistisch! Dann erkennt Ihr auch das Innenfoto wieder: Das ist nämlich auf Eurer Konfirmationsurkunde. Ja – das ist auch hier. In Deiner Kirche: Schau mal rein: bei Gelegenheiten. Vergesst es nicht: Hier seid Ihr frei und hier seid gebunden. Okay, Soweit der klassische Einstieg. Ja, das will ich hoffen. Dass Ihr Euch hier in der Stifts- kirche frei und gebunden fühlt: Mit allen Zweifeln. Und allen Fragezeichen. Und mit aller Herzenskraft. Mal so und mal so. Ja – auch das gehört zum Evangelisch sein: Zweifeln und Überzeugtsein. Und darüber frei diskutieren. ABER: Genau das hat uns ja gefehlt in den letzten Monaten: Das, was Konfi- Unterricht eigentlich ausmacht, schon zu Zeiten Eurer Eltern ausgemacht hat: Frei diskutieren können – Und erleben können wie Gemeinschaft funktioniert, welche Regeln es dazu braucht und wie schön das sein kann… Frei sein in der Konfi-Gruppe . ABER – wegen Corona,……. Ihr wisst schon…Nachholbedarf für später vielleicht..? Genau deshalb habe ich das zweite Bild gewählt. Und das Leitwort dazu für Euch Vier: „Zur Freiheit hat Euch Christus befreit, darum bleibt standhaft…“

„Die Freiheit, die ich meine?“ - das scheint ja sehr individuell zu sein: manche meinen offenbar damit, ein Naturschutzgebiet in der Nähe kaputt trampeln und vermüllen zu können… kann der Gedanke von Freiheit so absurd verdreht werden?! Okay - langsam sind wir alle müde und erschöpft nach einem Jahr Beschränkungen… ja – und es gibt Hoffnung am Horizont… ABER Nach Corona wird niemals wieder wie vor Corona sein. Davon bin ich überzeugt.

Diese Pandemie hat ihre Spuren hinterlassen, und ich hoffe, es sind auch zukunftsweisende, positive Spuren dabei: Spuren der Nachdenklichkeit, ein Begreifen, was eigentlich wirklich kostbar ist, unsere Natur – zum Beispiel… unser „Auslauf“, den wir wirklich endlich schützen müssen, und dann kann man tatsächlich jetzt besser entscheiden, worauf man verzichten kann und worauf nicht… Auf den Punkt gebracht: Was eigentlich Freiheit ist! Darüber könnten wir in diesem Jahr, in Eurem Konfirmandenjahr, etwas dazugelernt haben…Was eigentlich Freiheit ist? Eure Eltern, weil sie euch verantwortungsvoll bis hierhin begleitet haben, die werden auch gesagt haben… „das ist Deine freie Entscheidung, ob Du konfirmiert werden willst,..“ Wir fänden das schon gut, nicht bloss, weil das so Tradition ist hier im Dorf, sondern auch, weil Du etwas mitbekommen könntest, über die Regeln der Freiheit, die es braucht, um erwachsen zu werden… Mit der Konfirmation, mit 14 seid Ihr „religionsmündig“- Seid frei, zu entscheiden, an welche Religion ihr euch bindet… Religion? Ich weiß, das ist doppelt gemoppelt- Religion heißt an sich schon: Bindung. Gebunden sein an Gott, Gebunden an seine Werte und Normen. An Grundsätze, was ist gut, was ist böse. Was kann ich machen, was lasse ich lieber.. oder klassisch gesagt mit den 10 Geboten: Du sollst… und Du sollst nicht.

Denn wer frei sein will zur Entscheidung, der braucht eine Bindung – hört sich paradox an, ist aber so – schaut in Eure Familie, oder – wenn Ihr wieder da sein könnt - in der Schule. Und auch unter Freunden. Und erst recht in der Gesellschaft, in dem Staat in dem wir zusammenleben. Ohne Bindung, ohne verbindliche Regeln, an die sich jeder hält, geht es nicht: Freiheit funktioniert nur mit Bindung: Denn meine Freiheit hört bei der Freiheit meines Nächsten auf. Und Deine Freiheit beginnt, wo meine Freiheit endet. Oder umgekehrt. „Ich bin so frei..!“ geht nur so lange, wie ich Dir damit nicht die Luft zum Atmen wegnehme.

Freiheit braucht Bindung. Bindung an Andere. Bindung an gemeinsame Regeln. Und diese Bindung wurzelt in unserer Bindung an Gott. In seinem Gebot. In unserem Gewissen. Wer sich nicht an Regeln hält. Sondern sich einfach ausklinkt, wer nur egoistisch rum-moppert: „Ich will keine Maske tragen und ich will jetzt meine Freiheit zurück!“ der bringt die Gemeinschaft in Gefahr. In Lebensgefahr womöglich- Das haben wir alle gemerkt, ganz deutlich, als in der dritten Welle die Intensivstationen wieder an ihre Grenzen kamen… Und die Rechnung für soviel Dummdreisigkeit, für diese „Religionslosigkeit“, die zahlen – wir alle!

Freiheit … das ist also das ganz große Thema dieses Jahr. Für Euch. Und es wird immer wichtiger werden, wenn wir an Eure Zukunft denken. „Einfach frei…??“ Selbstverständlich sind wir alle hier mit der Freiheit aufgewachsen: Gott sei Dank. In einem demokratischen, in einem freien Land. Ihr Vier seid da hineingeboren, die Generation Eurer Eltern und ich auch. Die Generation Eurer Großeltern – Ich habe Ihre Jahrgänge nicht genau im Blick - aber Sie könnten schon noch andere Kindheits - Erinnerungen haben… Opas und Omas könnten Euch heute vielleicht erzählen, was es bedeutet aus einer Zeit der Diktatur - „Knechtschaft“ - würde es die Bibel nennen, aus einer Zeit der Unfreiheit, langsam und mit Mühe wieder in die Freiheit hinein- gewachsen: Vielleicht wären deshalb Eure Geschichten sehr wichtig heute, liebe Großväter und Großmütter. Traut Euch zu erzählen von damals, auch wenn das schon sooo lange her ist… Denn es ist gefährlich, die Wurzeln unserer Freiheit zu vergessen. Ja – aber leider merken wir oft erst, was wir für selbstverständlich nehmen, wenn es in Gefahr gerät, wenn wir’s verteidigen müssen, Schlimm, wenn wir dann nicht genau wissen, wie wir das tun sollen… Freiheit verteidigen? „Zur Freiheit hat Euch Christus befreit, darum bleibt standhaft, und lasst Euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!“ Diese uralten Worte vom Apostel Paulus, die sind eine Ermutigung zum Widerstand und die sind für Euch: für Xenia und Melvin, für Jannis und Max, Denn das ist Eure Aufgabe. Eure Generation wird für die Freiheit in unserem Land einstehen müssen, weil da plötzlich wieder autoritäre Parolen laut werden, schlichte Gedanken von Überordnung und Unterordnung, schwarz-weiß-Denken- wenn da Menschen - ja auch erschreckend viele junge Leute, plötzlich nach einfachen Lösungen, drakonischen Strafen, Abschottung und starker Hand rufen, weil Freiheit offenbar zu schwierig ist…und zu anstrengend. Ja - Freiheit ist ein kostbares, zerbrechliches Gut. Redefreiheit… Diskussionsfreiheit…Meinungsfreiheit…Religionsfreiheit Die Freiheit eines Christenmenschen, Das wird leicht kaputt gemacht, Darum das Lied: „Freiheit ist nicht nur ein Wort, Freiheit, das sind Worte und Taten: Als Zeichen der Freiheit ist Jesus gestorben, als Zeichen der Freiheit für diese Welt“: Das heißt: Wir sind geliebt, anerkannt, gewürdigt, befreit. durch Jesus Christus. Als Zeichen dafür legt Ihr gleich die Stola mit Eurem Konfirmationsspruch um. Vor dem Segen. Da steht Eure Konfirmationsspruch drauf. Den habt Ihr selbst geschrieben. Euch daran gebunden, wer Euer HERR, Eure höchste Autorität sein soll Von wem Ihr Euch Regeln setzen lassen wollt: Eure Sprüche sagen es: Der gute Hirte, der sich um die Seinen kümmert, Jesus Christus, der Dir den Weg zeigt.

Du brauchst Dich nicht zu fürchten, auch in diesen Zeiten nicht. Du bist gesegnet und zur Freiheit berufen! AMEN

Herzlich grüßt Ihre Pfarrerin Wortmann-Rotthoff