Gründonnerstag 2020: „Applaus für die Putzfrau!“ – Pfarrerin Ulrike Wortmann-Rotthoff

Ja,  ich weiß:  das ist politisch nicht korrekt! 

"Applaus für die Reinigungskraft!" müsste das heißen. 

Das ist der Punkt. Genau da bin ich beim Thema. 

Und ich stelle mir Tagesschaubilder dazu  vor: Zur ausgemachten Uhrzeit von den Balkonen einer dichtbesiedelten Großstadt irgendwo in Europa applaudieren hunderte von Menschen den Frauen und Männern, die putzen. 

Denn das ist ja  im Moment überlebenswichtig:  die Menschen, die in Krankenhäusern, in Pflegeheimen, in Wohngruppen für Behinderte,  in Rehakliniken… aber auch in Großmärkten, Lebensmittelgeschäften und Baumärkten putzen, reinigen, desinfizieren.. ja genau: "Applaus für die Putzfrau!"  jetzt wird uns mal bewusst, wie sehr wir wertschätzen müssen, dass es Menschen gibt, die solche Arbeiten machen, die ansonsten ja nicht eben prestigeträchtig sind.. daher die aufwertende Berufsbezeichnung. Und damit bin ich auch schon bei dem biblischen Vorbild: 

…Vor dem Passahfest erkannte Jesus, dass seine Stunde gekommen war… Und nach dem Abendessen … da stand er vom Mahl auf, legte seine Kleider ab und nahm einen Schurz und umgürtete sich. Danach goss er Wasser in ein Becken, und fing an, den Jüngern die Füße zu waschen und zu trocknen mit dem Schurz, mit dem er umgürtet war.

Da kam er zu Simon Petrus. 

Der sprach zu ihm: Herr, du wäschst mir die Füße?!  Jesus antwortete und sprach zu ihm: Was ich tue, das verstehst du jetzt nicht; du wirst es aber später erfahren. Da sprach Petrus zu ihm: Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen! 

Jesus antwortete ihm: Wenn ich dich nicht wasche, so hast du keine Gemeinschaft mit mir…..

Als er nun ihre Füße gewaschen hatte, nahm er seine Kleider und setzte sich wieder nieder und sprach zu ihnen: Wisst ihr, was ich euch getan habe? Ihr nennt mich Meister und Herr und sagt es mit Recht, denn ich bin's auch. Wenn nun ich, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, so sollt auch ihr euch untereinander die Füße waschen. 

Denn ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe. 

Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander lieb habt. Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt. (Johannes  13,1-15.34+35.)

Ich stelle mir die Szene lebhaft vor:

Jesus will gerade die fleckige Schürze weglegen. Seine Hände sind noch feucht, eine schmutzige Brühe schwappt in der Wasch - Schüssel.  Er hat immerhin  mehr als Zwölfen die staubigen Füße gereinigt  - gegen Widerstand erst, dann aber doch. 

Als er sich endlich wieder erhoben hat, sagt er:

"Wenn nun ich, euer Herr, euch die Füße gewaschen habe, 
so sollt ich euch auch untereinander die Füße waschen."  (Joh 13,14)

Mir geht durch den Sinn: 

andern die Füße waschen - das ist ein unbequemes Geschäft,
da muss man sich bücken das geht ins Kreuz, da schmerzen die Knie….
Die Schürze umbinden?  Schürze - das ist Arbeitskleidung der Putzfrauen die Untersten in der Rangfolge des Sozialprestiges. Andern die Füße waschen, die Ausdünstungen des andern einatmen müssen, warum soll ausgerechnet ich für Andre die Drecksarbeit machen?
Vor Andern auf den Knien rutschen? Besser, es gäbe kein oben und unten, alle gleich - aber das ist ja  Phantasterei !  Ich soll also Andern die Füße waschen?  Niedere Dienste leisten? Ein seltsames "neues Gebot"  ! 

Das ist doch eine Zumutung, oder?

Aber ist das Andere denn wirklich leichter? Nicht zu knien, sondern den andern vor sich knien zu lassen: die Peinlichkeit, sich bedienen zu lassen …? Und auf die Spitze getrieben:
Christus  sich abplagen zu sehen für mich? Da hat ja schon Petrus protestiert!

Jesus sagt: "Wenn nun ich, euer Herr euch die Füße gewaschen habe,  so sollt ihr euch auch gegenseitig die Füße waschen."  Will ER das? Die Umwertung unserer Prestige - Skala?  Den Rollentausch?  Beides zu lernen, Beides zu üben: Das eine Mal dienen und das andre Mal sich einen Dienst gefallen lassen:
schenken und Beschenkte sein können, mal Patient, mal Ärztin und Pfleger, mal Reinigungskraft.
Liebe schenken und Liebe annehmen, Gott dienen und von Gott sich dienen lassen, hilflos sein können und Helfer. Je nachdem, was gerade dran ist. Und was ich grade kann.


In einem Interview mit Bischof Felix Genn las ich den Hinweis:  ".. ich glaube, jetzt werden wir gerade geerdet!" (WN 26.3.2020 ) "Geerdet?!"

Wenn ich die Fußwaschung dabei vor Augen behalte, den sich zur Erde bückenden Jesus, dann heißt das: 
Wir kommen grade alle auf dem Boden unserer Tatsachen an. Wir merken  so deutlich, was wirklich wichtig ist, was tatsächlich unverzichtbare  "Arbeit zur Daseinsvorsorge" ist,  ohne was unsere Gemeinschaft tatsächlich nicht auskommt. So finden auch Berufsgruppen öffentliche Anerkennung und Wertschätzung, die lange im "Hintergrunddienst" standen. Krankenschwestern, Reinigungskräfte, Erntehelfer, Supermarkt-Kassierinnen….  

Denn es ist ja nicht nur Schutzkleidung und Desinfektionsmittel, Mehl oder Kopfsalat, Geld und Kreditlinien kostbar -   es braucht Menschen! Immer Menschen,  die das Jeweilige an der richtigen Stelle gut anwenden: reinigen, putzen, desinfizieren, Betten beziehen, waschen, säubern… und..und.. und…

Das Evangelium zum Gründonnerstag im Jahr 2020 bekommt  neue Strahlkraft. Jesus wäscht seinen Freunden an seinem letzten Lebens- Abend die Füße! Und kommentiert:

 "Ein neues Gebot gebe ich Euch: Daran wird jedermann erkennen,
dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt."

Ich finde, ER spricht da genau in unsere Tage hinein. "….ich glaube, jetzt werden wir gerade geerdet!"


Gebet:

Dass wir allen Komfort und die Bequemlichkeiten, die unser Leben umgaben,
nicht oft genug als Segen betrachtet haben, sondern als selbstverständlich hingenommen haben.
Vergib uns, HERR.

Für alle, die sich jetzt kümmern. Arbeiten tun, die lebenswichtig sind:
Beschütze sie, HERR.

Dass diejenigen großzügig sind, die jetzt mehr Kraft als andere haben.
Mach es möglich, HERR.

Befreie uns von selbstsüchtigen Neigungen.
Wir sind doch deine Kinder und niemand von uns hat schon einmal eine Pandemie erlebt.
Lieb uns, so wie wir sind, HERR. 

In den Tagen, die kommen, bleibe bei uns, HERR Jesus Christus.
Dir sei Lob in Ewigkeit.

 

AMEN

 

Bleiben Sie behütet wünscht Ihre Pfarrerin Wortmann-Rotthoff