Andacht am 3. Sonntag nach Ostern: Jubilate – Pfarrerin Ulrike Wortmann-Rotthoff

Liebe Gemeinde!

„Nach Corona wird alles anders sein…“  „Es gibt so schnell  kein Zurück mehr in die alten Zeiten..“  und „Wäre eine Rückkehr zum Alten überhaupt wünschenswert ?“

 

Mit dem Wahr – Nehmen, dass die Einschränkungen der Corona- Pandemie uns noch den ganzen Sommer lang begleiten und die Auswirkungen sicher bis ins nächste Jahr hineinreichen, höre ich viele solche Kommentare.

 

Dabei ist mir neulich ein Deja-vu passiert, dass mich um fast fünf Jahrzehnte zurückversetzte in ganz, ganz  alte Zeiten.

Sonntagsmorgens. Da stehe ich früh auf. Vor und in Corona. Der innere Wecker ist seit Jahrzehnten geeicht. Und weil ich dann nicht stillsitzen kann, treibt es mich hinaus auf unsere wunderbaren Wanderwege im Teuto. Früh morgens - also „noch sind nicht die Lerchen wach…“ trat ich aus der Stille des Buchenwaldes. Azurblauer Himmel, kein Wölkchen, kein Kondensstreifen.. keine Störung nirgendwo.

Mein Blick schweifte über die Hügel. Wellen von Gelb und Grün. Blühender Raps,  Wiesenflächen und Wald fließen ineinander. „Diese Ruhe! Das gab’s doch nicht mehr, seit ich Kind war!“ dachte ich unwillkürlich. Und dann hörte ich innerlich eine vertraute Stimme singen:

„Wer recht in Freuden wandern will, der geh der Sonn entgegen! Da ist der Wald so kirchenstill, kein Lüftlein mag sich regen. Noch sind nicht die Lerchen wach, nur im hohen Gras der Bach singt leise den Morgensegen.“

Wochenspruch für diesen Sonntag:

„Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur!
Das Alte ist vergangen, siehe: Neues ist geworden.“

 2.Korinther 5,17                           

Das ist ein altes geistliches Volkslied des Romantikers Emanuel Geibel.  Mein Vater eröffnete damit so manche sonntägliche Wanderung in meinen Kindertagen.

Lange her. 

Aber jetzt geht es mir nicht um verklärende  Rückblicke in die ganz bestimmt nicht immer „gute alte Zeiten“. Es  geht es mir um das klarsichtige, selbstkritische  Erkennen, was wir verloren haben durch unsere Hetzen und Rennen! Dadurch, dass es nichts Wichtigeres gab als Fortschritt, schneller.. weiter.. höher… mehr.. ,dass uns kaum noch ein anderer Wert kümmerte als das Geld, das wir uns in die Tasche zählten…

Die Corona- Krise hat all‘ das ins Wanken gebracht. 

Das tut weh. Und ist vielleicht doch auch ein Fingerzeig. Die äußeren Rahmenbedingungen sind auf unbestimmte Zeit hinaus unsicher. „Es gibt so schnell  kein Zurück mehr in die alten Zeiten..“  Sollten es denn auch je wieder wie „das Alte“ werden ?

Die erzwungene Isolation bringt uns auch ganz eng in Kontakt mit unserem Innenleben. 

Mit dem Beängstigenden und mit dem Beglückenden.

Was brauche ich wirklich?

Was gibt mir Halt und Kraft?

 

„Die ganze Welt ist wie ein Buch, darin uns aufgeschrieben in bunten Zeilen manch ein Spruch, wie Gott uns treu geblieben…“ das ist auch eine Zeile aus dem alten Volkslied!  

Vielleicht lesen wir dieses alte Buch mal neu!

Dann schenkt uns der Sonntag „Jubilate“  in diesem besonderen Jahr auch den Blick für das Positive, das Wertvolle, das Ermutigende und Stärkende:

Was wir jetzt wertschätzen lernen.

zu deutsch:  jubeln, loben, wertschätzen  …

Jubeln ist eine elementare Lebensäußerung. 

Es ist verwandt mit dem Stauen und mit dem Danken… überlegen Sie einfach mal - welchen Gesichtsausdruck verbinden Sie damit? In „Jubeln“ breche ich aus, wenn mich etwas positiv stark anrührt und erfüllt.. etwas, was ich sehe, schmecke, höre… Meine Seele „frohlockt“ heißt das in alten Kirchenliedern: meine Seele hüpft fröhlich. Da habe ich gleich Kinder vor Augen. Die können das. Bei uns Erwachsenen ist es selten geworden... viel zu selten! 

Das Loben, das Jubeln erwächst aus einer sinnlichen Erfahrung: 

Es kommt spontan:  un- will- kürlich: 

Jubel kann man schlecht verordnen. 

Aber es lässt sich kultivieren, zum Beispiel im Singen.. 

 

Jubeln, loben, wertschätzen  …

Bei uns hat das Loben ja  leider ganz oft einen pädagogischen Beigeschmack:

als bewusste Form der Wertschätzung. Die Entdeckung, dass Menschen eher durch Lob als durch Strafe gestärkt und motiviert werden, ist gut und heilsam. Lob würdigt.  Lob ist Zuspruch, der Menschen auch über sich hinauswachsen lässt. 

Das wird gebraucht. Grade jetzt.

Schwierig wird’s, wenn das Lob fremden oder eigenen Zwecken dienen soll. 

Man merkt die Absicht – und ist verstimmt. 

 

„Jubilate!“ Gott zu loben ist zweckfrei.

Und im buchstäblichen Sinne un – will - kürlich…

Wie in dem Augenblick, als ich bei meiner Wanderung aus dem Buchenwald hinaustrat. 

Und jenes alte Lied in mir aufklang mit der Schlusszeile: 

„..lasst uns dem HERRN lobsingen!“ 

Dieses Singen wirkte in mir. Da fühlte ich mich wie neu geboren:

Wie eine neue Kreatur.

 

 

Gebet:

DU HERR, Quelle der Lebendigkeit!

Am Morgen weckt uns der Jubel der Vögel. 

Deine Schöpfung hat ein neues Kleid angelegt,

und aus allen Farben leuchtet die Buntheit deiner Gnade.

 

Erneuere auch uns, HERR Jesus Christus:

Hauch‘ uns Deinen Lebensatem ein, verwandle uns!

Vertreibe die Schatten aus unserer Seele,

zerstreue die Angst, die uns lähmt.

Füll‘ unseren Alltag mit Mut und mit Liebe,

lass uns aufbrechen ins Neuland!     AMEN

 

So erfrischt in die neue Woche zu gehen, das wünscht Ihnen von Herzen

Ihre Pfarrerin Ulrike Wortmann-Rotthoff