Predigt Palmarum- Markus 14, 3-9 Wer liebt, der bleibt! – Pfarrerin Ulrike Wortmann-Rotthoff

Wer liebt, der bleibt! 

"Was denkst Du, was bleibt?" fragt mich eine Freundin, mit der ich dieser Tage über viele Kilometer immer wieder verbunden bin am Telefon. "Was bleibt?! Wie meinst Du das?" 

Und sie erzählt: Ich versuche mir jetzt schon die Jahresrückblicke 2020 vorzustellen. Tatsächlich? Ich  frage mich, welche Bilder man zeigen wird. Wie wird die Gesellschaft aussehen nach diesem Frühjahr? Welche Menschen werden in den Talkshows ihre persönlichen Geschichten aus diesem Jahr erzählen, und vor allem was werden sie erzählen?

Heute weiß ich noch nicht, was mein Gedächtnis speichern und abrufen wird, wenn ich die Zahl 2020 höre. Zum Jahreswechsel oder in fünf Jahren. Werden es Bilder von Straßen und Plätzen sein, die wie ausgestorben sind, obwohl die Frühlingssonne scheint? Oder die Schnappschüsse von leeren Regalen? In diesen Tagen steht alles, tatsächlich das ganze Leben auf dem Prüfstand. Alles, was selbstverständlich war und eingespielt. Alles, was den Alltag regelte, was zu erwarten war. Berechenbar und auch von Wert. Wer hätte vor ein paar Wochen gedacht, dass sich Toilettenpapier zu einem Investitionsgut entwickeln würde? Dass der Preis für eine Atemmaske, ein Pfennigartikel, innerhalb von Tagen um 3000% in die Höhe schießen würde?  Die Verhältnisse sind auf den Kopf gestellt. 

"Was denkst Du, was bleibt?"  

Wird da womöglich ganz Anderes bleiben in meinem Gedächtnis haften als auf den medialen Kanälen sichtbar ist: das Gefühl eines warmgewordenen Telefonhörers am Ohr, der Klang vom "Heavy Metall" uralten Kirchenglocken landauf landab, das stille "Der Mond ist aufgegangen" eines einzelnen Flügelhorns, die flackernde Kerze im Fenster, das lächelnde Gesicht der alten Dame beim Winken hinter der Glastür?

Was bleibt im Gedächtnis?  Am Palmsonntag 2020 gehört dazu auch ein Evangelium:

Die Salbung in Betanien  - Markus 14, 3-9

Evangelium am Sonntag Palmarum 2020

(Tipp: lesen Sie den Bibeltext ganz in Ruhe laut für sich und zünden Sie eine Duftkerze dazu an!)

"Und als er in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, 

da kam eine Frau, die hatte ein Alabastergefäß mit unverfälschtem, kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Gefäß und goss das Öl auf sein Haupt. Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: 

Was soll diese Vergeudung des Salböls? Man hätte dieses Öl für mehr als 

dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an. Jesus aber sprach: Lasst sie! Was bekümmert ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit. Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt zu meinem Begräbnis. Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie getan hat." 

Betanien am Abend. Eine Männerrunde. 

Man will unter sich sein: planen, organisieren. rechnen, kalkulieren. Das sehen sie als ihre Aufgabe, ihre Verantwortung. Recht so. Eigentlich. Da betritt plötzlich eine Frau den Raum. Sie öffnet eine Flasche mit sündhaft teurem Öl, 300 Silbergroschen reine Narde verströmen ihren Duft in wenigen Momenten - ein Luxus, für Könige reserviert. 

Die Frau gießt dieses Öl Jesus  auf den Kopf und massiert es ein. So wird die Welt auch auf den Kopf gestellt. 

Die Männerrunde protestiert: Da hätte man doch..! da sollte man lieber..! Was für eine Unvernunft! "Lasst sie!" unterbricht Jesus. "Was bekümmert ihr sie?" 

Jesus lässt sich die Liebe dieser Frau gefallen. Eine Liebe, die um den Tod, um die Vergänglichkeit weiß. Und ihn krönt mit königlicher Großzügigkeit. Sie hat sich das gut überlegt, sie ist vorbereitet und entschlossen. Sie weiß: jetzt ist die Zeit, um zu schenken - ohne Kalkül, nur mit dem Ziel Jesus glücklich zu machen.

"Was denkst Du, was bleibt?"  

Heute weiß ich noch nicht, was im Gedächtnis bleiben wird mit zeitlichem Abstand zu diesen Tagen im Frühling 2020. Ich hoffe es sind Momente wie in Betanien, Bilder und Geschichten von Menschen, die großzügig und erfindungsreich Liebe verschenken. Unberechenbar. Unbezahlbar. Wer liebt, der bleibt. 

Aus dem Wochenlied - Evangelisches Gesangbuch Nr.91 

1. Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken,

mich in das Meer der Liebe zu versenken,

die dich bewog, von aller Schuld des Bösen uns zu erlösen.

5. Seh ich dein Kreuz den Klugen dieser Erden

ein Ärgernis und eine Torheit werden:

so sei's doch mir, trotz allen frechen Spottes, die Weisheit Gottes.

6. Es schlägt den Stolz und mein Verdienst darnieder,

es stürzt mich tief, und es erhebt mich wieder,

lehrt mich mein Glück, macht mich aus Gottes Feinde zu Gottes Freunde.

Gebet:

Herr Jesus Christus,

lass uns Dir auf Deinem Weg folgen,

und den Weg der Liebe suchen.

Schenk uns Fantasie dazu, gerade jetzt - bei allen Regeln und Beschränkungen.

Einander zu lieben und zu achten, aufmerksam zu sein für die Bedürfnisse unseres Nächsten.

Gib uns Mut, einander zu unterstützen und zu stärken:

Gieß die Kraft Deines Geistes über uns aus!  AMEN

Bleiben Sie behütet!  wünscht  Ihre Pfarrerin Wortmann-Rotthoff