Liebe Gemeinde,
"Macht Homeoffice dick?" muss ich unwillkürlich denken, als ich das dritte bunte Papierchen neben meiner Tastatur knülle während das Schoko - Osterei in meinem Mund langsam schmilzt. Als Schlagzeile hatte ich das neulich gelesen: "Macht Homeoffice dick?!" Ein Luxusproblem. Zugegeben. Wie so vieles , wenn ich mich in dieser Krise betrachte - im Vergleich zu Mitmenschen, die schon seit Wochen ohne Arbeit und Einkommen sind, und erst Recht - im Vergleich zu Mitmenschen, die jetzt in den Elendsvierteln von Nairobi, Neu Delhi oder Rio de Janeiro ganz ohne medizinische Versorgung sind.
Aber neben diesem Stachel im Fleisch macht mich das kleine bunte Papierchen doch tatsächlich auf ein ganz anderes Problem aufmerksam: Mit diesen Einschränkungen und Kontaktverboten zu arbeiten und zu leben macht mich irgendwie träge, müde und matt, und das, obwohl ich doch gut ausgeschlafen bin. Die "Entschleunigung", die nicht nur mir zu Beginn der Kontaktsperre durchaus willkommen schien, macht mir langsam zu schaffen. Und nein: da helfen mir keine Selbstoptimierungstipps im Home- Training. Ich kann auch ohne all' das an die frische Luft - Gott sei Dank! ( echt!)
Es geht mir um eine andere Dimension menschlicher Lebendigkeit: Phantasie im Denken, Einfühlsamkeit der Seele - das wird durch Begegnung angeregt. Durch reale, zwischenmenschliche Begegnung, die man spüren kann. Durch Erfahrung und Erleben. Und zwar analog - nicht digital.
Diese Lebendigkeit fehlt mir. Denn ich kann Lebendigkeit nicht unbegrenzt aus mir selbst heraus schaffen. Irgendwann versiegen die Ressourcen.
"Das Wort, das Dir hilft kannst Du Dir nicht selber sagen!" - sagt eine alte afrikanische Weisheit.
Und die Kraft, die du brauchst, kannst Du dir nicht selber geben - möchte ich ergänzen.
Und höre an diesem Sonntag den Propheten Jesaja sprechen:
"..auffahren mit Flügeln wie Adler!"
"Weißt du es nicht?
Hast Du es nicht gehört?
Der HERR, der Ewige, der die weite Erde
erschuf, ER wird nicht müde noch matt,
sein Verstand ist unausforschlich!
ER gibt dem Müden Kraft und Stärke genug dem Unvermögenden.
Jünglinge werden müde und matt, und Männer straucheln und fallen;
aber die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft,
dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler,
dass sie laufen und nicht matt werden,
dass sie wandeln und nicht müde werden."
Jesaja 40,28-31
Was der Prophet Jesaja vor mehr als 2500 Jahren seiner Gemeinde als Trostwort zuspricht, sollte Ausdauer schenken, Durchhaltevermögen, Kraft in einer Jahrzehnte währenden Verbannung. Damit noch Lebensmut übrig ist, wenn der neue Aufbruch kommt. Diese Lebendigkeit erwartet auch der Prophet nicht aus sich selbst heraus. "Weißt du es nicht? fragt Jesaja, "Hast du es nicht gehört: Der EWIGE! Auf IHN richte Deine Sehnsucht aus!"
Ich brauche ganz Ähnliches in meinem "Corona-Exil", am PC mit dem Ostereier - Papierchen neben mir.
Also richte ich meine Sehnsucht auf die Lebendigkeit des Auferstandenen: Jesus Christus.
"Wie das? Hast Du da keine Zweifel?" fragen Sie. Habe ich auch manchmal. Dann hilft nur noch beten.
Schon Maria am leeren Grab im Garten hatte Jesus direkt vor sich, und erkannte den Lebendigen nicht. Oder Thomas, der konnte es seinen besten Freunden nicht glauben. Jesus ging damals schon diesen beiden Zweifelnden nach. Das lässt mich hoffen. Dass ER auch mir begegnet. Dass ER lebt, hängt nicht von meiner Glaubenskraft ab. ER ist da. ER sucht Kontakt. Damals schon. Und heute auch.
Kontakt aufnehmen zu IHM, denn in IHM wohnt die Lebendigkeit: Wie könnte man das machen?
Mein Tipp: Planen Sie doch einfach in diesen Tagen ein, bei Ihren Spaziergängen oder auch bei ausgiebigen Wanderungen in unbekanntem Terrain nicht nur frische Luft, sondern auch die Seele aufzutanken. Irgendwo auf Ihrer Route liegt bestimmt eine unserer schönen alten Kirchen im Tecklenburger Land! Betreten Sie die nicht mit diesem "Museumsblick" auf die Inneneinrichtung, sondern mit einer Seelen - Suchbewegung: vielleicht können Sie eine Kerze anzünden, das hilft zur Konzentration. Meine Seele sehnt sich nach Kraft im Kontakt zu Gott - und jetzt sind die Gebete frei! Also setze ich mich hin und warte. Mir hilft diese besonders große Stille, diese Weite, die sich derzeit in unseren Gotteshäusern ausbreitet. Da kann man es erleben: analog - nicht digital: ER, der Lebendige, schenkt "den Müden Kraft und Stärke genug den Unvermögenden". Versuchen Sie's!
Wenn Sie dann aus der Kirche wieder heraustreten, heben Sie den Blick in den jetzt grade so hohen, blauen Himmel: Auch wenn es in unserer Gegend wohl eher Bussarde sind, die sich da in die Lüfte schwingen, in ihnen ahne ich doch den auffliegenden Adler! Mit einem kräftigem Flügelschlag der Seele kann ich mich wieder aufmachen, bin "wie neu geboren", lateinisch: "quasi modo geneti" - der erste Sonntag nach Ostern trägt genau diesen Namen:
Quasimodogeniti!
Gebet:
HERR Jesus Christus,
wir danken Dir, dass Du uns neues Leben schenkst.
DU lässt uns aufatmen von unseren Sorgen,
DU weckst in uns - mitten in bedrückender Zeit - wieder ein Lachen.
Du nimmst uns unsere Ängstlichkeit durch Deinen Zuspruch.
Lebendiger HERR,
vertreibe die Schatten des Todes, die sich auf unser Leben legen wollen,
schenk allen Müden und Matten neue Kraft!
Auf Dich richten wir unser Vertrauen und unsere Hoffnung:
Erbarme Dich!
Lied Nr. 194 Liederbuch zwischen Himmel und Erde
So gestärkt und gesegnet zu werden, das wünscht Ihnen
Ihre Pfarrerin Ulrike Wortmann-Rotthoff
P.S. .. und im Homeoffice besuchen Sie unsere Homepage www.ek-te.de !